Adventgedichte: Advent von Karl Gerok
Advent
Offenb. 3, 20.
Siehe, ich stehe vor der Tür und
klopfe an.
Ich klopfe an zum heiligen Advent
Und stehe vor der Tür!
O selig, wer des Hirten Stimme kennt,
Und eilt und öffnet mir.
Ich werde Nachtmahl mit ihm halten,
Ihm Gnade spenden, Licht entfalten,
Der ganze Himmel wird ihm aufgetan,
Ich klopfe an.
Ich klopfe an, da draußen ists so kalt
In dieser Winterszeit;
Von Eise starrt der finstre Tannenwald,
Die Welt ist eingeschneit,
Auch Menschenherzen sind gefroren,
Ich stehe vor der verschlossnen Toren,
Wo ist ein Herz, den Heiland zu empfahn?
Ich klopfe an.
Ich klopfe an, sähst du mir nur einmal
Ins treue Angesicht,
Den Dornenkranz, der Nägel blutig Mahl, —
O du verwärst mich nicht!
Ich trug um dich so heiß Verlangen,
Ich bin so lang dich suchen gangen,
Vom Kreuze her komm ich die blut’ge Bahn:
Ich klopfe an.
Ich klopfe an, der Abend ist so traut,
So stille nah und fern,
Die Erde schläft, vom klaren Himmel schaut
Der lichte Abendstern;
In solchen heilgen Dämmerstunden
Hat manches Herz mich schon gefunden;
O denk, wie Nikodemus einst getan:
Ich klopfe an!
Ich klopfe an und bringe nichts als Heil
Und Segen für und für,
Zachäus ‘ Glück, Marias gutes Teil
Bescheert‘ ich gern auch dir,
Wie ich den Jüngern einst beschieden
In finstrer Nacht den süßen Frieden,
So möchte‘ ich dir mit holdem Gruße nahn;
Ich klopfe an.
Ich klopfe an, bist, Seele du, zu Haus,
Wenn dein Geliebter pocht?
Blüht mir im Krug ein frischer Blumenstrauß,
Brennt deines Glaubens Docht?
Weißt du, wie man den Freund bewirtet?
Bist du geschürzet und gegürtet?
Bist du bereit mich bräutlich zu umsahn?
Ich klopfe an.
Ich klopfe an, klopft dir dein Herze mit
Bei meiner Stimme Ton?
Schreckt dich der treusten Mutterliebe Tritt
Wie fernen Donners Drohn?
O hör‘ auch deines Herzens Pochen,
In deiner Brust hat Gott gesprochen:
Wach‘ auf, der Morgen graut, bald kräht der Hahn,
Ich klopfe an.
Ich klopfe an; spricht nicht: es ist der Wind,
Er rauscht im dürren Laub; —
Dein Heiland ists, dein Herr, dein Gott, mein Kind,
O stelle dich nicht taub;
Jetzt komm‘ ich noch im sanften Sausen,
Doch bald vielleicht im Sturmesbrausen,
O glaub‘, es ist kein eitler Kinderwahn:
Ich klopfe an.
Ich klopfe an, jetzt bin ich noch dein Gast
Und steh vor deiner Tür,
Einst, Seele, wenn du hier kein Haus mehr hast,
Dann klopfest du bei mir;
Wer hier getan nach meinem Worte,
Denn öffn‘ ich dort die Friedenspforte,
Wer mich verstieß, dem wird nicht aufgetan;
Ich klopfe an. Karl Gerok